Interview mit dem Gesandten der Republik Belarus in Österreich, Herrn Mag. Andrei Lozovik, über den Coronavirus, 6.Mai 2020
Die Ausbreitung des Coronavirus wurde durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft. Dies bedeutet, dass das neue Virus eine Gefahr für die Sicherheit der ganzen Menschheit darstellt. Ihre Überwindung hängt von jedem Menschen, jedem Land und jeder internationalen Organisation ab. Unser Land ist sehr offen und in den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch involviert. Aus diesem Grunde war die Erscheinung der Infektion in Belarus nur eine Frage der Zeit.
Die belarussischen Behörden haben die Entwicklung der epidemiologischen Situation im Ausland aufmerksam beobachtet. Die belarussischen Botschaften haben sich am Monitoring ebenfalls beteiligt. Die ausländischen Erfahrungen wurden analysiert und ausgewertet, es wurden präventive Maßnahmen getroffen.
Es sei bemerkt, dass der Bereitschaftsgrad des Gesundheitssystems unseres Landes hinsichtlich der Epidemie ziemlich hoch war. Zum Glück ist es Belarus gelungen, nicht nur das positive Erbe der Sowjetzeit zu erhalten, sondern auch eine sukzessive Modernisierung durchzuführen und die Materialbasis zu stärken. Nach Angaben der WHO verfügt Belarus über 1083 Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner. Nach dieser Kennzahl übertreffen wir deutlich fast alle europäischen Staaten ausgenommen eventuell Monaco. In Österreich entfallen auf 100 000 Einwohner 761 Krankenhausbetten. Nicht schlecht steht Belarus auch in puncto Ärztezahl pro 10.000 Einwohner da. In dieser Hinsicht ist Österreich, wo dieser Kennwert 62 Ärzte beträgt, uns etwas überlegen. Unsere Zahl (52 Ärzte) übertrifft aber beispielsweise die schweizerische Kennzahl (43).
Der erste COVID-19-Fall wurde in Belarus am 29. Februar registriert. Von Anfang an wurden in Belarus umfassende Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung der Infektion in drei Richtungen unternommen – epidemiologische Forschung, Lokalisierung von Corona-Hotspots, medizinische Reaktion und Distanzierungsmaßnahmen. Innerhalb kürzester Zeit wurde das System der Corona-Tests in Gang gesetzt. Neben den ausländischen Verfahren werden dabei auch einheimische Tests verwendet. Ihre Produktion wurde sechs Tage nach der Veröffentlichung der Struktur des neuen Virus durch die WHO aufgenommen. Zur Bestätigung der Effizienz der belarussischen Tests wurden die Ergebnisse ins WHO-Labor gebracht. Zum jetzigen Zeitpunkt werden in Belarus täglich ca. 8.500-9.000 COVID-19-Tests gemacht. Nach dieser Zahl liegt Belarus in unserer Region an der zweiten Stelle hinter Russland und nimmt weltweit den 37. Platz ein.
Heute ist die epidemiologische Situation in Belarus unter Kontrolle. Seit Beginn der Epidemie wurden 23.906 Infektionsfälle registriert. Die Krankheit verläuft bei den meisten infizierten Menschen in einer leichten Form. Wir trauern um den Tod von 135 Menschen, bei denen COVID-19 festgestellt wurde. Dank unseren Medizinern ist diese Kennzahl jedoch niedriger als in anderen Ländern.
Im Großen und Ganzen verdient die Arbeit belarussischer Ärzte höchste Wertschätzung. Die Regierung unseres Landes unternimmt alles Mögliche, um sie zu schützen und zu unterstützen. Die Versorgung von Krankenhäusern mit Atemschutzmasken und Schutzanzügen für das Personal wurde rasch aufgestockt. Der Großteil der benötigten Schutzmittel wird dabei durch einheimische Unternehmen produziert. Präsident Lukaschenko hat die Gehälter der bei der Bekämpfung von COVID-19 eingesetzten Mediziner wesentlich erhöht. Nicht unbeteiligt blieben auch belarussische Unternehmen und einfache Bürger. Durch private Spenden wurden zusätzliche Schutzmittel erworben und Mahlzeiten für medizinische Mitarbeiter organisiert.
Die Bereitschaft von Belarus zur Eindämmung der Epidemie wurde durch die Experten der WHO-Mission, die bei uns vom 8. bis zum 11. April auf Einladung des Präsidenten arbeitete, positiv bewertet. Nicht viele Länder haben die Experten der obersten medizinischen Organisation der Welt zur Einschätzung der Situation in dieser alles andere als einfachen Zeit zu sich eingeladen. Nach dem Besuch unterbreitete die Mission Empfehlungen, die von den belarussischen Behörden aufmerksam geprüft und berücksichtigt wurden. Bei der Ausarbeitung der Herangehensweisen im Kampf gegen COVID-19 ging die Regierung unseres Landes von einer komplexen Analyse aller Faktoren aus, auch von den potentiell katastrophalen Folgen der unternommenen Schritte für die Wirtschaft.
Zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 wurden auch Maßnahmen der sozialen Distanzierung getroffen. Das System der Selbstisolierung infizierter Personen und ihrer Kontakte wurde eingeführt und erfolgreich umgesetzt. In Betrieben, Organisationen und öffentlichen Einrichtungen wurden prophylaktische Maßnahmen, inklusive der Desinfektion, getroffen. Besonders wichtig ist, dass belarussische Bürger und Bürgerinnen, die sich der Gefahr des neuen Virus bewusst und über die Empfehlungen bezüglich der Krankheitsvorbeugung informiert sind, selbständige Schritte unternehmen, um die Ansteckung zu vermeiden und ihre Nächsten, besonders aus der Risikogruppe, nicht dieser Gefahr auszusetzen.
Insofern haben wir in Belarus das Problem, das sich aus der durch die WHO verkündeten Pandemie ergibt, nicht weniger ernst als unsere Freunde und Partner in anderen Ländern genommen. Jedes Land erarbeitet seine Lösungen und Reaktionsformen, um seine Bevölkerung zu schützen und zur Überwindung der vor der Menschheit stehenden Herausforderung beizutragen.