Das Land, das „nein“ zur massenhaften Privatisierung und zum Verkauf von Firmen an Ausländer sagte: die EU führt neue Sanktionen gegen Belorussland ein.

Advance (Zagreb), 20.02.2012

Die Europäische Union plant, weitere rigorose Sanktionen gegen Belorussland einzuführen, und als Anlass wird eine „ernsthafte Verletzung der Menschenrechte“ angeführt. Der belorussische Präsident Alexander Lukaschenko sagte, dass die neuen Sanktionen „nutzlos“ sind, aber kündigte eine „harte Antwort“ an, wenn die EU mit der Verhängung von Sanktionen gegen sein Land fortfährt.

„Sie müssen verstehen, daß wir Ihre Drohung mit Sanktionen nur zeitweilig tolerieren können, aber wenn Sie eine „rote Linie“ überschreiten, werden wir hart antworten“, sagte der belorussische Präsident vor den versammelten Botschaftern in Minsk. Was die „harte Antwort“ betrifft, dachte Lukaschenko sicher an die strategische Position Belorusslands, über das ein bedeutender Teil des Handels zwischen West und Ost abgewickelt wird.

In seiner Rede führte Lukaschenko auch aus: „Was wollen die Europäer überhaupt von uns? Minsk macht seinen Nachbarn oder irgendeinem anderen Land keinerlei Probleme.“ Der belorussische Präsident warnte die Westmächte, weiterhin Pläne gegen Belorussland zu machen: „Wenn sich ein Staat erlauben sollte, die Stabilität Belorusslands zu bedrohen, werden wir wie in der Periode 1941-1945 bis zum Tod kämpfen und unsere Unabhängigkeit und Souveränität verteidigen, sogar wenn wir dabei die Unterstützung unserer Freunde Russland und China verlieren sollten.“

In dieser Erklärung gab Präsident Lukaschenko einen Überblick über das breitere geopolitische Engagement, das in der Welt heute durchgeführt wird. Tatsache ist, daß eine harte diplomatische und militärische Offensive gegen alle Staaten, die sich dem Westen nicht direkt unterordnen, geführt wird. Die einzigen Großmächte, die derzeit diesem Prozess Einhalt gebieten können, sind Russland und China. Dennoch ist sich Lukaschenko bewusst, dass die „Freundschaft“ mit den beiden Großmächten nicht bis zu jener Grenze stabil ist, daß man sich auf sie absolut verlassen könnte.

Belorussland hat eine stabile Wirtschaft, es leistet Widerstand gegen die Privatisierung und den Ausverkauf der Betriebe an Ausländer, und ist auf der Karte Europas und der Welt deshalb seit langem im „Visier“ der Westmächte. Viele Analytiker, die sich mit Geopolitik befassen, sind der Meinung, dass Belorussland „an die Reihe kommen wird“, wenn die Offensive im Raum des Nahen Ostens und Nordafrikas beendet ist. Die vorletzte amerikanische Staatssekretärin Condoleeza Rice bezeichnete Lukaschenko als „letzten Diktator im Herzen Europas“.

Wir erinnern uns, dass Belorussland nach dem Zerfall der UdSSR ein unabhängiger Staat wurde, aber der Westen war gegenüber dem neuen Staat von Anfang an sehr kritisch. Vor allem wegen der Tatsache, daß Lukaschenko, der 1994 an die Macht kam, sich gegen die Einführung der
Marktwirtschaft und Privatisierung, die buchstäblich alle anderen früheren Sowjetrepubliken verwüstete, zur Wehr setzte.

Das aktuelle Wappen Belorusslands ist eine erkennbare Ikonographie, die auf die Planwirtschaft verweist. Lukaschenko stoppte diesen Prozess an seinem Beginn, und das Staatseigentum, das den massenhaften Ausverkauf verhinderte, wurde beibehalten. Zahlreiche Firmen sind im Privatbesitz,
aber hauptsächlich im Dienstleistungssektor. Alle wesentlichen Zweige der Industrie und der Landwirtschaft werden weiterhin vom Staat kontrolliert.

Telekommunikation, Energetik und andere wesentliche Industriezweige sind ebenfalls unter der Leitung des Staates. Ähnlich ist es mit den Medien, was einer der größten Einwände der Westmächte ist. Der Bankensektor wird streng reguliert und befindet sich mehrheitlich ebenfalls im Staatsbesitz. Zum Unterschied von einem strikt kapitalistischen Modell, das Russland und die anderen Staaten der Ex-UdSSR verfolgen, entschied sich Lukaschenko für einen „Marktsozialismus“, der mehr an das jugoslawische Modell der 70er und 80er Jahre erinnert. Inwieweit die Präsidentschaftswahlen tatsächlich „demokratisch“ sind, ist schwer zu sagen, vor allem deshalb, weil das Land ziemlich isoliert ist.

Aber trotz diesen Kritiken ist es wesentlich, einige andere Elemente zu betonen, die zeigen, dass das Leben im heutigen Belorussland in vielem eine höhere Qualität hat als in der unmittelbaren Nachbarschaft. Nach internationalen Untersuchungen ist der Human Development Index (HDI), der
von der UNO überwacht wird, in Belorussland der höchste unter den Staaten der GUS.

Die Mehrheit der Betriebe ist im Staatseigentum. In ausländischen Betrieben arbeiten nur 1,4 % der Bevölkerung. Während die Europäische Union und andere Länder Mühe haben, das Wachstum der Arbeitslosigkeit einzudämmen, geht sie in Belorussland ständig zurück. Nach den letzten Angaben des IWF beträgt sie unter 1 %.

Das BIP wächst seit 2000 kontinuierlich, mit Ausnahme von 2009, aber bereits 2010 erholte sich die Wirtschaft wieder. Nach einem detaillierten Bericht des State Department entstand der Rückgang im Jahr 2009 nicht wegen der internationalen Finanzkrise, sondern wegen der Entscheidung der
Regierung, allen Beschäftigten eine Lohnerhöhung von 30 % zu gewähren.

Nach den Informationen des Wirtschaftsministeriums wird im ersten Quartal dieses Jahres (2012) ein Wachstum des BIP von 2,5 % erwartet. Ein Problem in der Wirtschaft ist die Hyperinflation. Die heimische Währung, der belorussische Rubel, fiel bedeutend im Verhältnis zum amerikanischen Dollar. Der Markt wurde durch eine strenge Aufsicht über die Währung stabilisiert.

In der Landwirtschaft arbeiten 14 % der Arbeitskräfte, in der Industrie 34,7 % und im Dienstleistungssektor 51,3 %. Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 hatte zerstörerische Folgen in Belorussland. Ein großer Teil der Landwirtschaft wurde vernichtet, eine große Fläche wurde
verstrahlt, und die Kosten für die Beseitigung der Katastrophe sind auch heute noch sehr hoch. Die Auslandsschulden betragen nach in den Informationen des IWF 27 % des BIP, was wesentlich weniger als in vielen Staaten der EU ist. Belorussland hat 9,5 Mio Einwohner.

www.advance.hr/vijesti, Internetportal mit täglichen Nachrichten aus Kroatien und der Welt,
20.02.2012

(Übersetzung aus dem Serbokroatischen: Peter Bachmaier)

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